Kunst von 1933 bis 1945 und danach
Seit Dezember 2024 wird das Projekt Schaufenster Kunst durch den Teilbereich Kunst von 1933 bis 1945 und danach ergänzt. Dieser widmet sich einem Themenfeld der Kunst der Region, das noch nicht systematisch erforscht und aufbereitet wurde. Der Fokus des Projekts liegt auf dem Aspekt, professionelle Netzwerke von Künstler*innen mit Wirkungsmittelpunkt in Baden und Württemberg im Zeitraum 1933–45 sowie der Bundesrepublik gezielt zu erforschen und aufzudecken. Auf diese Weise wird eine weitreichende Dimension für die Auseinandersetzung mit den Themen Künstler*innentum sowie Kunstschaffen im Nationalsozialismus und darüber hinaus erschlossen und sichtbar gemacht, denn jene Netzwerke sind als Impulsgeberfaktoren für individuelle Karriereverläufe wie auch für die Kunstproduktion in Baden und Württemberg allgemein zu begreifen.
Das Teilprojekt ist einer Kooperation des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart und des Fachbereichs Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Stuttgart entwachsen. Sie diente einer ersten Sondierung des Themenbereichs Kunst im öffentlichen Raum Stuttgarts mit Berührung zum Nationalsozialismus, wobei der Schwerpunkt auf Kunstwerken liegen sollte, die auch heute noch im öffentlichen Raum der Stadt sichtbar sind. Hierfür wurde im Rahmen eines Hauptseminars während des Sommersemesters 2024 mit Studierenden beispielhaft das Schaffen der drei Bildhauer Emil Kiemlen (1869–1956), Fritz von Graevenitz (1892–1959) und Fritz Nuss (1907–1999) untersucht.
Die positive Resonanz und das kontinuierliche Interesse an diesem Vorhaben führten zu dem Beschluss, die gewonnenen Ergebnisse der Forschung und Öffentlichkeit über die digitale Plattform Schaufenster Kunst zur Verfügung zu stellen. Hierfür wurden die Forschungen gezielt vertieft und erweitert, indem der Blick über den Bereich Kunst im öffentlichen Raum und das Wirkungsumfeld Stuttgart hin ausgedehnt wurde. Von den drei Beispielen Emil Kiemlen, Fritz von Graevenitz und Fritz Nuss ausgehend konnten so insbesondere persönliche und institutionelle Verbindungen sowie organisatorische Strukturen des Kunstschaffens in der Region Stuttgart von 1933 bis 1945 und darüber hinaus ermittelt werden. Diese Forschungsergebnisse werden in die Datenbank Schaufenster Kunst eingebunden, wobei sich wie avisiert teilweise interessante Verknüpfungen mit vorhandenen Datensätzen ergeben. Sie bilden die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas gezielt ab.
Über das Erforschen, Aufdecken und Sichtbarmachen von Netzwerken, die Künstler*innen aus Baden-Württemberg während der Zeit des Nationalsozialismus und in der frühen BRD unterhielten, setzt das Teilprojekt dezidiert Impulse für die öffentliche Diskussion dieser Fragestellungen. Adressaten sind sowohl eine interessierte Öffentlichkeit als auch Wissenschaft und Forschung; auf der Basis der gewonnenen, in die digitale Plattform eingebundenen Forschungsergebnisse sollen der Diskurs befördert und weitere Forschungen ermöglicht werden. Die digitale Plattform bietet hierfür ideale Anknüpfungspunkte: Die Kunstproduktion während der Zeit des Nationalsozialismus und der frühen BRD ist für Baden-Württemberg, von Seiten der Kunstgeschichtsforschung, aber auch der Disziplinen Geschichte, Politik und Soziologie weitgehend unerforscht, abgesehen von vereinzelten wertvollen Detailstudien. Ferner fielen für den untersuchten Zeitraum persönliche und professionelle Netzwerke, Verbindungen und Kontakte mit Blick auf Karriereverläufe, Auftragsvermittlung und Ausstellungstätigkeit häufig stärker ins Gewicht als die individuelle politische Einstellung der beteiligten Akteure. Die Plattform Schaufenster Kunst bündelt vorhandene Erkenntnisse und neue Forschungen zentral, ferner bildet sie relevante Vernetzungen gezielt ab.
Dabei zeigen die Datensätze sowohl zentrale Aspekte als auch Herausforderungen für die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld auf. Sie bestätigen Erkenntnisse der jüngsten Forschung, dass es nicht zielführend ist, Bewertungen oder Kategorisierungen von Künstler*innen, Werken, Institutionen oder anderer für die Kunstproduktion während des NS und in der frühen BRD bedeutsamer Akteure vorzunehmen. Vielmehr ist eine differenzierte Vorgehensweise notwendig, für die keine methodische Schablone angesetzt werden kann. Es gibt allgemein gewinnbringende Untersuchungsparameter – etwa Ausstellungstätigkeiten während des NS, insbesondere in Relation zum Schaffen davor und danach gesehen; mediale Berichterstattungen; evtl. vorhandene Spruchkammerakten; bekannte politische und professionelle Mitgliedschaften von Akteuren. Sie werden in der digitalen Plattform zu Teilen abgebildet, gleichzeitig aber wird ersichtlich, dass Karrieren und Schicksale individuell und sehr stark durch ihre jeweiligen Rahmenbedingungen bestimmt sind – zu denen Vernetzungen als essenzielle Faktoren zählen. Die Visualisierung der Netzwerke bieten neue Erkenntnisse und ungewöhnliche Perspektiven. Durch die sukzessive Anreicherung mit weiteren Informationen soll eine vertiefte Kenntnis des Zusammenwirkens von Akteuren und Institutionen, der Bedingungen des Kulturschaffens in der NS-Zeit und ihrer Instrumentalisierung durch das Regime ermöglicht werden.